Mit "We feed the world" hat sich Erwin Wagenhofer auf die Spur unserer Lebensmittel gemacht. Sie hat ihn nach Frankreich, Spanien, Rumänien, in die Schweiz, nach Brasilien und zurück nach Österreich geführt. Roter Faden ist ein Interview mit Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.
Täglich wird in Wien gleich viel Brot entsorgt, wie Graz verbraucht. Auf rund 350.000 Hektar, vor allem in Lateinamerika, werden Sojabohnen für die österreichische Viehwirtschaft angebaut, daneben hungert ein Viertel der einheimischen Bevölkerung. Jeder Europäer isst jährlich zehn Kilogramm künstlich bewässertes Treibhausgemüse aus Südspanien, wo deswegen die Wasserreserven knapp werden.
Wer schon immer einmal wissen wollte, wie es den Hühnern in den Legebatterien geht oder mit welchen Mitteln die Tomaten in spanischen Gewächshäusern grossgezogen werden, bekommt darauf antworten, sowie auf diverse andere Fragen.
In Episodenform zeigt der Film, was alles mit diversen Lebensmitteln passiert, bevor sie bei uns auf dem Tisch landen. So wird gezeigt, was der Unterschied von herkömmlich gefangenen Fisch oder von industriell gefangenen Fisch ist. Ein weitere Episode befasst sich mit dem Werdegang der Tomate und beleuchtet die Zucht in spanischen Gewächshäusern. Auch Themen wie genmanipuliertes Gemüse oder die Massenzucht von Hühnern kommen nicht zu kurz. "We feed the world" ist der grosse dokumentarische Einblick in die Entstehung unserer Lebensmittel und wird die Essgewohnheiten mit Sicherheit beeinflussen.
Die Bilder über die industriellen Fertigungswege und ihre Folgen sind beeindruckend und beängstigend zugleich und haben mich in einer Sache bestätigt. Nahrung direkt vom Bauern oder aus kontrollierten Anbau ist besser als industriell hergestellte Ware. Was ebenfalls nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass bei den meisten industriellen Lebensmittel die Qualität leidet, mit Chemie gearbeitet wird oder der Geschmack künstlich verändert wird.
Als Beispiel seien hier die genmanipulierten Auberginen genannt. Diese sehen im Endeffekt zwar besser aus, aber selbst ein Experte sagt zu diesem Thema, dass die natürliche Frucht besser schmeckt. Hier werden die sogenannten Hybridsamen nur eingesetzt, da dass Auge beim Kauf mit entscheidet und eine perfekt aussehende Aubergine eher gekauft wird als eine nicht ganz so schöne.
"Den Handel interessiert der Preis, Geschmack ist kein Kriterium", erklärt ein Geflügelzüchter. Für viele Verbraucher gilt das auch. Doch in den letzten Jahren zeichnet sich ein Bewusstseinswandel ab. Bioprodukte erobern auch die Regale der Discounter; der langjährige Greenpeace-Chef leitet die Organisation "Foodwatch"; Köche werden zu Popstars. "Kochen ist der heisseste Trend, der momentan abgeht", sagt Rapper P.Diddy. Der Film passt also zum Zeitgeist, so zu sagen als Negativ des romantischen Bildes von der natürlich geschmackvollen Ernährung. Denn während Lifestyle-Magazine Kochkurse und Edelpfannen zu den neuen Statussymbolen erklären, macht Wagenhofer vor allem auf die Schattenseiten der Entwicklung aufmerksam: den Mangel im Überfluss.
Bestes Beispiel: Während Jean Ziegler, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, beklagt, dass jeden Tag tausende Menschen an Hunger sterben, hat Nestlé einen neuen Markt entdeckt. "Wasser ist ein Lebensmittel, und so wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben", sagt der Chef des weltgrössten Nahrungsmittelherstellers, Peter Brabeck.
Ausgerechnet ihn überkommt beim Anblick der eigenen Produktfülle eine kulturkritische Wallung: "Wir haben alles, was wir wollen und sind trotzdem psychisch in einer Trauerstimmung". Zum Heulen, so viel Koketterie. Und ziemlich unappetitlich.
Hier geht's zum Film!
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