Noch etwas mehr als ein Jahr und in Los Angeles wird es keine Plastiktüten mehr geben. Als bisher grösste Stadt der USA hat der Stadtrat beschlossen, die Ausgabe von Plastiktüten im Stadtgebiet zu verbieten. Papiertüten dürfen weiterhin angeboten werden, sollen in Zukunft jedoch teurer werden, damit die Menschen beginnen, ihre eigenen Taschen und Rucksäcke mit zum Einkaufen zu bringen.
Plastiktüten werden im Durchschnitt nur wenige Minuten gebraucht, belasten die Umwelt aber für viele hundert Jahre. Allein in Los Angeles geben die Geschäfte jedes Jahr die schwindelerregende Menge von 2,3 Milliarden Plastiktüten aus. Auch im vermeintlich "grüneren" Deutschland sind Plastiktüten wider allen besseren Wissens noch immer legal und werden massenhaft verwendet.
In Kalifornien haben nun bereits 45 Städte Plastiktüten verboten, ein Verbot für den ganzen Bundesstaat scheiterte jedoch infolge extremer Lobbyarbeit der Hersteller.
In Deutschland liegt es noch immer am Konsumenten, dem Wahnsinn ein Ende zu setzen, indem man einfach die eigene Tasche mit ins Geschäft nimmt. Aber auch solch einfache Schritte scheitern scheinbar noch an der Bequemlichkeit - noch immer verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich etwa 500 Plastiktüten im Jahr.
Bisphenol A in unserem Blut
Die Menge an Kunststoff, die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht bereits aus, um unseren gesamten Erdball sechs Mal mit Plastikfolien einzupacken. Weltweit werden im Jahr fast 240 Millionen Tonnen Kunststoffe aus rund vier Prozent der weltweiten Erdölproduktion hergestellt - die Plastikindustrie macht damit rund 800 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.
Die Welt droht zunehmend angesichts dieser Mengen in Plastikmüll zu ertrinken, denn die Kunststoffe verrotten nicht und überdauern zum Teil bis zu 500 Jahre. Besonders hart trifft es die Ozeane:
Rund 6 Millionen Tonnen, gelangen über Flüsse in die Ozeane, bis zu 18.000 Plastikteile treiben in jedem Quadratkilometer der Weltozeane. Östlich von Hawaii hat sich in der im Uhrzeigersinn drehenden Meeresströmung des Pazifiks ein gigantischer Müllwirbel gebildet, in dessen Zentrum drei Millionen Tonnen (!) Plastikmüll rotieren. Selbst wenn die Menschheit morgen damit aufhörte, Plastik zu produzieren - die vielen Millionen Tonnen, die bislang in die Ozeane gelangt sind, werden noch Jahrtausende mit den Strömungen um die Welt treiben.
Das hat nicht nur indirekt Einfluss auf den Menschen: Bereits jetzt ist 6x mehr Plastik als Plankton im Meer. Die winzigen Teile werden von den Fischen gefressen und gelangen so in den Blutkreislauf. Der Mensch hat bereits messbare Mengen Bisphenol A im Blut.
Auch wer keinen Fisch isst, hat Plastik-Chemikalien in seinen Venen. Das kommt vor allem durch Plastikverpackungen und PET-Flaschen. Die Schädlichkeit dieser Flaschen ist bekannt, trotzdem gibt es kaum mehr Glasflaschen. Dabei beweisen zahlreiche Studien, dass sich verschiedene Chemikalien aus dem Kunststoff lösen, und im menschlichen Körper wie Hormone wirken - was den Stoffwechsel komplett durcheinander bringt. Dadurch können sie gravierende Gesundheitsschäden verursachen, von Allergien und Fettleibigkeit bis hin zu Unfruchtbarkeit, Krebs und Herzerkrankungen. Auch die verfrühte Geschlechtsreife junger Mädchen wollen manche Forscher darauf zurückführen.
Plastic Planet
Regisseur Werner Boote trat mit dem Thema Plastik nach bereits jahrelangen Recherchen im Sommer 2003 an Produzent Thomas Bogner heran und brauchte dann nochmals vier Jahre um das Drehbuch auszuarbeiten und die teure Produktion finanzieren zu können: Gedreht wurde dann von Frühjahr 2007 bis Frühjahr 2008, die Postproduktion dauerte nochmals annähernd ein Jahr.
Eine grossangelegte Geschichte also: Nach mehrjährigen Recherchen, nach Reisen, die von Innsbruck bis in die marokkanische Sahara, von Venedig bis in den Pazifischen Ozean, von Deutschland bis nach China, Indien und Japan geführt haben, hat Werner Boote 700 unabhängige Studien gesammelt, welche die Schädlichkeit von Plastik beweisen. Sowie 10, die dagegen halten - und allesamt von der Industrie in Auftrag gegeben wurden.
Das Ende des Plastik-Traums
Bootes Film ist die wohl bisher umfassendste Behandlung des Themas und zeigt deutlich, dass der Plastik-Traum ausgeträumt ist und wir dringend nach Alternativen suchen müssen. In nur zwei Generationen ist Plastik von einer grossen Hoffnung zu einem massiven Problem geworden. Das spiegelt sich auch sehr schön in der Familiengeschichte des Regisseurs. Bootes Grossvater war in den 60er Jahren noch Geschäftsführer der deutschen Interplastik-Werke und war sich sicher: Das Plastik-Zeitalter wird die Lebensqualität der Menschen erheblich verbessern. Heute fragt sich sein Enkel, ob das tatsächlich der Fall ist. "Auf dem Weg ins Krankenhaus, wo sie zur Chemotherapie oder Strahlentherapie gegen ihren Krebs fahren, werden sie sich genau das fragen", meint der Biologe Fred von Saal in "Plastic Planet".
Manchem wird es wohl so gehen, wie es der Untertitel des Films verspricht:
„Wenn Sie diesen Film gesehen haben, werden sie nie wieder aus einer Plastikflasche trinken."
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