Meine Suche nach der Wahrheit begann vor ca. 6 Jahren. Anfangs eher zaghaft, danach immer deutlicher zeigte sich ein Wunsch, herauszufinden,
was Realität ist. So begann ich, viele Bücher der grossen Religionen und Philosophen
zu lesen, danach folgte spirituelle Literatur und Bücher über Chemie, Physik
und Quantenphysik. Gleichzeitig begann ich zu meditieren, um so mein eigenes
Bewusstsein zu erforschen. Rückblickend erkenne ich darin fast eine Art
Besessenheit mit der Frage: Was ist Wahrheit?
Nach einiger spiritueller Lektüre schien mir klar zu
sein, dass der einzige Weg zur Wahrheit die Erleuchtung wäre. Ich hatte tiefe
Erlebnisse in den ausgiebigen Meditationen. Es erwachte etwas in mir, aber je
mehr es das tat, desto lauter wurden meine Zweifel. Eine Weile war ich
orientierungslos, versuchte wieder "normal" zu leben, jedoch vergebens,
zu stark brannte noch immer die Suche in mir. Während dieser Zeit änderte und verfeinerte sich meine
persönliche Wahrheit ständig. Gab es am Anfang noch einen missionarischen
Eifer, der andere Menschen überzeugen wollte, verschwand dieses Bedürfnis
zunehmend mit der Erkenntnis, das meine Wahrheit immer nur eine relative war,
ein aktueller Stand meines Irrtums, den es sich nicht lohnte, anderen
aufzudrängen. Ich wusste, dass ich eigentlich nichts wusste. Und das, was sich
wahr anfühlte, war ganz bei mir, so dass ich keinen Anlass sah, darüber zu debattieren.
Aber trotzdem: Tief in mir hatte sich eine Vorstellung
gehalten, dass es sie doch gibt, die absolute Wahrheit. Es musste sie geben!
Schliesslich musste das Universum ja auf irgendeine Art funktionieren und
irgendwann, würde ich wissen wie.
Je mehr meine Obsession mit Konzepten verschwand, je
mehr sich mein Seins-Zentrum vom Kopf in das Herz verschob, desto mehr dämmerte
ein Erkennen, das von tiefen mystischen Erlebnissen begleitet war: Es gibt gar
keine absolute Wahrheit, die sich erfassen liesse. Sie ist eine Illusion des
Verstandes. Für mich war diese Erkenntnis schwer zu verdauen: Dass ich es nie
wissen werde. Dass die eine absolute Wahrheit, nach der ich so viele Jahre
gesucht hatte, nicht zu erfassen ist. Dass es für den Verstand immer nur
relative, persönliche Wahrheiten gibt. Mein Verstand bestand darauf: Aber
irgendwie muss es doch sein!
Man kann sich in endlose Diskussionen verstricken,
sogar mit sich selbst. Für den Verstand ist die Vorstellung, dass es keine
absolute Wahrheit gibt, fast ein kleiner Selbstmord. Er kann es nicht
begreifen. Vielleicht mag es ihn besänftigen, festzustellen, dass die absolute
Wahrheit, sobald sie von einem Wesen wahrgenommen wird, bereits verzerrt wurde
und relative Wahrheit geworden ist. Dass eine Seele auch immer eine bestimmte
Perspektive auf das Ganze darstellt. Das absolute Wahrheit allein das sein
kann, was Buddha Nirvana einst nannte: das Erlöschen. Darüber gibt es tatsächlich nichts
zu erzählen. Es gibt eine natürliche Anhaftung an den gegenwärtigen Stand des
Irrtums: Der Verstand kann wohl begreifen, dass die Wahrheit des letzten Jahres
für ihn heute nicht mehr gilt. Das hindert ihn letztendlich nicht, daran zu glauben,
die Wahrheit von heute hätte trotzdem absolute Gültigkeit. Es ist fast ein
wenig komisch.
Sind manche Wahrheiten nun wahrer als andere? Man kann darüber debattieren, aber es geht nicht darum,
wer Recht hat. Die eigentliche Erkenntnis ist, dass die Frage nicht lautet: Was
ist Wahrheit? Sondern: Was ist meine Wahrheit, meine eigene, ganz persönliche
Wahrheit? Der Unterschied mag nicht gleich offensichtlich sein, aber er ist
immens. Wenn wir die Suche nach "der" Wahrheit aufgeben, befreit uns
das von der Notwendigkeit, mit anderen Menschen einer Meinung zu sein. Wir
entspannen uns damit, in verschiedenen Wahrheiten zu leben, die sich nicht
durch einen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit gegenseitig bedrohen. Alle
Wahrheiten sind nur relative Wahrheiten, nur Perspektiven auf ein Meer aus
Schwingungen. Es wird ausserdem unmöglich für einen anderen, mir "die
Wahrheit" zu enthüllen oder im Besitz dieser Wahrheit zu sein. Es befreit
mich von der Frage, ob das, was ich fühle auch wirklich wahr ist (= die
absolute Wahrheit ist), es stellt sich vielmehr die Frage: "Ist das
wirklich wahr für mich?"
Andere Menschen und Meinungen können mir als Spiegel
dienen, zu einer "höheren Version" meiner eigenen Wahrheit zu
gelangen - einer Wahrheit, die mir als Wesen einen vollständigeren,
authentischeren Ausdruck erlaubt. Aber weder gebe ich meine Wahrheit auf, um
die eines anderen zu übernehmen, noch versuche ich, jemanden von meiner
Wahrheit zu überzeugen. Es geht mir nur noch um die Evolution meiner eigenen
Wahrheit, und darum, diese im Sprechen, Handeln und Sein auf die bestmögliche
Weise auszudrücken.
Für mich scheint es möglich, meine Wahrheit zu fühlen
(wohlbemerkt nicht die Wahrheit). Es ist auch möglich, Graubereiche zu
spüren, Bereiche, in denen sich Fragen zeigen. Authentische Fragen, die nicht
intellektueller Natur sind, sondern sich aus dem Sein ergeben, die aus unserer
Tiefe auftauchen, während wir unsere Wahrheit in der Welt leben.
Meine Suche
nach Wahrheit hat nicht aufgehört, aber sie hat sich geändert. Sie ist bei mir
angekommen, als meine Wahrheit, die ich in mir fühle, die sich in mir
entwickelt. Sie ist flüssig und leicht geworden. Und wenn ich versuche sie in Worte zu kleiden, weiss ich wohl, dass sie
hinauswachsen wird. Ich erlaube es ihr, Reisende soll man nicht aufhalten.
Diesen Post widme ich Knox. Danke, dass du mich auf der Suche nach der Wahrheit stets begleitet hast!
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