Ads 468x60px

Powered by Blogger.

Mittwoch, Juli 6

Frühe Entfremdung bringt lebenslange Entfremdung

Von unseren Kindern wird in der heutigen Zeit sehr viel verlangt. Im Kleinkindalter sollen sie bilingual erzogen werden, sie sollen an Malkursen teilnehmen, ein Musikinstrument und schon erste mathematische Zusammenhänge erlernen und und und. Das Motto lautet: Je früher desto besser! Denn nur, wer in frühen Jahren viel lernt, der wird später intelligent und gehört zur relevanten Gruppe der Leistungsgesellschaft.

Der Ehrgeiz ist riesengross, aber Achtung: Es ist der Ehrgeiz der Erwachsenen. 
Wie steht es dabei mit unseren Kindern? Sind sie schon in der Lage, mit ein, zwei Jahren englische oder spanische Vokabeln zu lernen? Brauchen sie bildungspädagogische Strategien, um die Vernetzung ihrer Synapsen im wachsenden Kinderhirn zu beschleunigen und werden sie dadurch wirklich intelligenter? Fühlen sich Kleinkinder wohl und wird ihr Selbstvertrauen gestärkt bei diesen vorschulischen Ausbildungsprogrammen?

Wohl kaum. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, wie der renommierte Kinder- und Jugendtherapeut Wolfgang Bergmann findet. Er wirft den bildungspolitischen Entscheidern vielmehr vor, sich viel zu wenig mit den tatsächlichen Ergebnissen weltweiter Untersuchungen bei Säuglingen und Kleinkindern zu beschäftigen und mit ihren leichtsinnigen, oberflächlichen Betrachtungen, die in parteipolitische Entscheidungsprogramme münden, fatale Folgen für die ganze Gesellschaft zu bewirken. Bergmann weist auf die Gefahren hin: Die Kreativität der Kinder, die Lust am Lernen, die Freude am Leben und die Neugierde auf die unbekannten Vorgänge des Daseins werden durch die ehrgeizigen Erziehungsprogramme in Wahrheit ausgebremst und verhindert, sie müssen verkümmern.

In seinem letzten Buch Lasst eure Kinder in Ruhe! Gegen den Förderwahn in der Erziehung macht er deutlich, dass "das typische Lernen in Fördereinrichtungen den allermeisten Kindern gar nichts nutzt. Lernen mit ein, zwei oder vier Jahren heisse eben nicht, dass das Kind abstrakte Informationen auswendig lerne. In diesem Alter gehe es vielmehr darum, ein Vertrautwerden mit der Welt mit allen Sinnen zu empfinden, erfühlen und zu erlernen."
In seinem letzten Interview vor seinem Tod, beschreibt Bergmann, was im Gehirn eines kleinen Kindes geschieht, wenn es über eine Wiese läuft und eine schöne Blume entdeckt. Es schnuppert an ihr, betrachtet, wie der Wind diese hin und her wiegt und öffnet ganz seine Sinne für die Schönheit der Natur. Innere Bilder werden geprägt, die wichtig sind für alle weiteren Eindrücke bis ans Ende des Lebens. Wer dem Kind in diesem Moment, in dem es seine Seele geöffnet hat, nun den englischen Begriff "flower" näherbringen will, der zerstört jegliches natürliches Erleben und Erlernen. Bergmann beschreibt die künftigen Lernerfolge für das kleine Kind, das in diesem Moment nicht die Blume bestaunen darf, sondern von seiner Betreuerin vielmehr hört: "Look, this is a flower. Say it again: a flower", als armselig und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als absolut erfolglos. Die Blume in all ihren sinnlichen Facetten werde auf eine blosse Abstraktion reduziert, die Vokabel "flower" sei nach spätestens einer Stunde wieder vergessen. Das sinnliche Erlebnis, die Begegnung mit der schönen Blume, wurde durch diesen unsinnigen Eingriff zerstört.

Deshalb frag ich Sie liebe Leser: Ist es nicht viel sinnvoller, ausreichend gemeinsame Zeit für Ihre Kinder zu haben um ein natürliches Miteinander in der Familie zu ermöglichen? 

Anstelle sinnlos dem Kind englische Wörter  beizubringen wäre es doch viel besser gewesen, wenn sie als Eltern die Blume gemeinsam mit dem Kind bestaunt hätten. Dazu gehören natürlich genügend Zeit und Aufmerksamkeit der Eltern und viele ausgedehnte, gemeinsame Stunden mit den kleinen Kindern, Respekt auch vor ihren Bedürfnissen, verlässliche Regeln und Verantwortung. Letzteres beinhaltet auch, der Entscheidung für Kinder im Leben die nötigen Konsequenzen folgen zu lassen: Wer Kinder will, der muss sich auch um diese kümmern.


Laut Bergmann werden in den ersten drei Jahren die Weichen für ein erfolgreiches und glückliches Leben gestellt, so seine Erfahrung. In dieser Zeit sind Zuwendung, Liebe, Aufmerksamkeit und Förderung der Kleinen alleine im Sinne der Liebe und des erwachenden Lebens wichtig. Und die kommt notwendigerweise von den Eltern und nicht etwa von dem heutzutage in den allermeisten Fällen komplett überfordertem Erziehungspersonal in Kinderkrippen. Wolfgang Bergmann starb vor wenigen Wochen. In seinem letzten Interview macht er allen Eltern noch einmal die wichtigsten Grundsätze eines natürlichen Miteinanders mit ihren Kindern deutlich. Er gibt einfache und zugleich weise Antworten auf alle jene Fragen, die heutzutage viele Familien vergessen haben und die sie nun überall zusammenbrechen lassen. Frühe Entfremdung bringt lebenslange Entfremdung, so sein Credo. Bergmann belebt vergessenes Wissen wieder. Sein grösster Wunsch: Kinder und ihre Eltern sollen wieder glücklicher miteinander werden.
            


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 

Blogger news

Blogroll

About